Ostsee – Nordsee? Hauptsache Meer.

Mein Mann und ich, wir haben so einen merkwürdigen Streit. Eigentlich ist es kein Streit im herkömmlichen, also lautstarken Sinn. Vielmehr handelt es sich um eine sagen wir mal Meinungsverschiedenheit. Eine kultivierte noch dazu. Sie dreht sich stets um die Frage: Nordsee oder Ostsee?

Zugegeben, wir haben ein Luxusproblem. Zumindest aus der Perspektive eines Pfälzers oder Sachsen. Wir leben in Hamburg, was bedeutet, dass es ungefähr 1,5 Stunden dauert, ein Meer zu erreichen. 1,5 Stunden nach Nordwesten: Nordsee. 1,5 Stunden nach Nordosten: Ostsee. Wird uns der Horizont unseres Viertels, der Alster und auch der Elbe zu eng, taucht sie jedes Mal zuverlässig auf – die Frage nach dem richtigen, dem echten Meer. Nordsee, ruft mein Mann. Ostsee, schmettere ich zurück. Es folgen die üblichen Argumente, in Variationen ihrer Reihenfolge, je nach Stimmung.

StrandZum Beispiel dieses: Der Strand ist breiter in St. Peter-Ording, was das nächste Nordsee-Ziel für Hamburger ist. Das stimmt sogar. Aber bis man endlich an der Wasserkante entlang laufen kann, muss man erst mal 20 Minuten über eine Seebrücke laufen. In Boltenhagen, was für uns der erste richtig schöne Badeort an der Ostseeküste ist, liegt der Strand hingegen direkt hinter der Düne. Mit Kind ist dieser Umstand nicht zu unterschätzen. Eintritt in Form einer Kurtaxe wird an beiden Stränden fällig. Das Argument zieht also nicht (und ärgert uns regelmäßig gleichermaßen). Immer wieder gern vorgebracht wird der angebliche Fakt, die Nordsee habe den raueren, also echten Meerescharakter. Wenn das Wasser denn da ist, halte ich schlicht dagegen. Der Wind weht kräftiger, versucht es mein Mann dann. Genau, sage ich. Davon bekomme ich Kopfschmerzen.

Es ließe sich diese durchaus subjektive Liste beliebig verlängern. Nun fragen Sie sich, wie wir diesen gordischen Knoten lösen. Es ist relativ einfach: Im Winter geht’s häufiger an die Nordsee, obwohl es dann dort noch ein bisschen barscher ist (aber wozu gibt es sonst all die tollen Outdoorklamotten?). Im Sommer landen wir eher am Ostseestrand, des Badens wegen. Wie sagte unlängst ein Touristiker treffend: Die Leute wollen das Meer. Klar! Was denn sonst?

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Eine Antwort zu Ostsee – Nordsee? Hauptsache Meer.

  1. Tobias Ernst schreibt:

    Heute bin ich über Rungholt gefahren,
    die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
    Noch schlagen die Wellen da wild und empört
    wie damals, als sie die Marschen zerstört.
    Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
    aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
    Trutz, Blanke Hans!

    Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
    liegen die friesischen Inseln im Frieden,
    und Zeugen weltenvernichtender Wut,
    taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
    Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
    der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
    Trutz, Blanke Hans!

    Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
    ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
    Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
    die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
    Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen
    und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
    Trutz, Blanke Hans!

    Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
    die Kiemen gewaltige Wassermassen.
    Dann holt das Untier tiefer Atem ein
    und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
    Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
    viel reiche Länder und Städte versinken.
    Trutz, Blanke Hans!

    Rungholt ist reich und wird immer reicher,
    kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
    Wie zur Blütezeit im alten Rom
    staut hier alltäglich der Menschenstrom.
    Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
    mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
    Trutz, Blanke Hans!

    Auf allen Märkten, auf allen Gassen
    lärmende Leute, betrunkene Massen.
    Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich:
    „Wir trutzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich !“
    Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
    zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
    Trutz, Blanke Hans!

    Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
    der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen,
    der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
    belächelt den protzigen Rungholter Wahn.
    Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen
    das schlafende Meer wie Stahl, der geschliffen
    das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen“. (1)
    Trutz, Blanke Hans!

    Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
    Plötzlich, wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
    das Scheusal wälzte sich, atmete tief
    und schloß die Augen wieder und schlief.
    Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
    kommen wie rasende Rosse geflogen.
    Trutz, Blanke Hans!

    Ein einziger Schrei- die Stadt ist versunken,
    und Hunderttausende sind ertrunken.
    Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
    schwamm andern Tags der stumme Fisch.—
    Heut bin ich über Rungholt gefahren,
    die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
    Trutz, Blanke Hans!

    (Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Kommentar handelt es sich um eine Ballade Detlev von Liliencrons. (Ausgewählte Werke, S. 209-211, Holsten-Verlag Hamburg, 1964))

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